#1 – Meine Angst vor Menschen

Ich leide schon ein ganze Weile unter starker Schüchternheit. In der Schulzeit war mir zwar klar, dass ich nicht sonderlich extrovertiert bin und außer mit meinen engsten Freunden mit möglichst niemanden zu reden versuchte, allerdings führte das damals noch zu keinen Problemen. Ich lebte in meiner kleinen Welt mit einer kleinen Gruppe Freunden und war zufrieden.

Nach der Schule wurde es um einiges Problematischer. Ich begann ein Studium und wurde mit einer Gruppe Fremden zusammengeworfen, vor denen ich allen ziemliche Angst hatte. Ich versuchte zwar, zu Beginn noch, irgendwie in Kontakt mit jemandem zu kommen und die Leute mit denen ich da studierte kennenzulernen. Allerdings blieben die Gespräche kurz und ich gab nach einer Weile das Unterfangen komplett auf. Stattdessen hielt ich den Kontakt mit anderen so gering wie möglich und blieb die meiste Zeit für mich. Ich wurde gut darin meine Kommilitonen zu meiden und verlies jede Veranstaltung, sobald es möglich war, sodass niemand Gelegenheit hatte mich anzusprechen.

Ich lebte damals in einer WG mit zwei Mitbewohnern, was für mich die reinste Qual war. Ich hatte ständig Angst einem von Ihnen zufällig im Flur oder der Küche zu begegnen oder dass einer von Ihnen an meine Tür klopfen und etwas wollen könnte. Was genau mir daran Angst machte weiß ich nicht, aber die Vorstellung versetzte mich eine Zeit lang ziemlich in Panik. Also verbrachte ich die allermeiste Zeit alleine in meinem Zimmer und hoffte darauf, dass keiner klopfte.

Inzwischen ist das Ganze um einiges besser geworden. Ich wohne jetzt allein, was meine Lebensqualität extrem verbessert hat. Ich brauche einfach einen Rückzugsort, an dem ich keine Angst haben muss auf jemand anderen zu stoßen. Dazu konnte ich auch nach fünf Semestern endlich ein wenig Kontakt zu meinen Kommilitonen aufbauen. Um das klarzustellen: Die ersten zwei Jahre habe ich quasi mit keinen von Ihnen ein einzelnes Wort gewechselt. Ich kannte niemanden beim Namen.

Diese Verbesserungen führe ich auf zwei Dinge zurück, die ich im Nachhinein als ziemlich glücklich einstufe. Zum Einen war das fünfte Semester bei mir ein Praxissemester. Das zwang mich dazu jeden Tag mit fremden Leuten reden zu müssen. Und währenddessen war es komplett schrecklich. Ich wohnte währenddessen noch in der WG und ich fühlte mich die ersten Monate komplett miserabel. Allerdings schätze ich, dass ich mich dadurch zumindest ein wenig an fremde Menschen gewöhnt habe und gegen Ende des Praxissemesters ein wenig entspannter mit Menschen umgehen konnte. Das Semester darauf gab es eine große Anzahl an Gruppenarbeiten, die gemeinsam mit Kommilitonen durchgeführt werden mussten. In Kombination mit der, im Praxissemester erlernten, etwas besseren Gefühlslage in sozialen Situationen führte das dazu, dass ich einige von Ihnen kennenlernte und sogar eingeladen wurde was zu unternehmen.

Das heißt allerdings nicht, dass meine Angst nun komplett verschwunden ist. Ich kämpfe immer noch jeden Tag mit ihr. Das Vermeidungsverhalten, das dazu führte, dass ich erst nach Jahren mit Kommilitonen sprach, ist immer noch gesund und munter. Ich kann etwas besser damit umgehen, aber es führt immer noch zu Problemen.

Ich merke es selbst im digitalen Bereich, wenn es um E-Mails oder Textnachrichten geht. Wichtige E-Mails schiebe ich oft wochenlang vor mir her einfach weil ich Angst davor habe. Auch WhatsApp Nachrichten tausche ich so gut wie mit niemanden aus. Wenn dann nur als Antwort auf Fragen die mir gestellt werden. Ich selbst initiiere so gut wie nie Chats. Selbst bei Freunden und Familie muss ich mich immer überwinden, wenn ich ihnen eine Nachricht schicken will. Ich habe auch oft schon darüber nachgedacht, mal eine Dating-App auszuprobieren, allerdings scheitert, dass da bei mir schon bei der Registrierung. Die Vorstellung ein Bild von sich hochzuladen, dass dann von fremden Leuten begutachtet wird, ist für mich mehr als furchteinflössend.

Das was mich allerdings im Alltag am meisten Stört, sind meine eigenen Gedanken. Ich grübel ständig darüber nach wie ich mich in der Vergangenheit in sozialen Situationen verhalten habe. Ich spiele diese ständig in meinem Kopf nach und wenn ich glaube etwas falsch gemacht zu haben bereue ich das zutiefst. Diese Gedanken halten mich Nachts wach und begleiten mich den ganzen Tag über. Das ganze ist für mich der Schlimmste Aspekt meiner Angst man könnte meinen, dass schlimmste wäre es die Situation live zu erleben, aber für mich ist es im Nachhinein an diese Situation zu denken und zu glauben, dass ich alles falsch gemacht habe. Insbesondere weil ich auf diese Weise die Situation nicht nur einmal erlebe sondern sie bestimmt hunderte male wieder und wieder durchkaue.

Zusammengefasst sind also folgendes meine zwei Hauptprobleme:

  • Vermeidungsverhalten (sowohl im realen Leben als auch digital)
  • Zwanghaftes Grübeln über vergangene Situationen

Soweit also zu meinen Erfahrungen mit Sozialer Phobie. Da dies der erste Post ist, rechne ich noch nicht wirklich mit Kommentaren, aber wenn hier zufällig doch jemand auf den Beitrag stößt, würde mich interessieren, ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt.

Werbung

3 Kommentare zu „#1 – Meine Angst vor Menschen

  1. Ich möchte Dir gern ein Zeichen hierlassen, dafür, dass ich deine beiden bisherigen Einträge gelesen habe. Und ich möchte Dir sagen, dass ich es ebenso schön wie mutig finde, dass Du mit diesem Blog ein Stück weit in die Offensive gegangen bist mit Deinem Problem.

    Ich lese hier allerdings auch, dass das nicht der erste Schritt ist, dass Du während Deines Studiums auch schon Schritte gewagt hast. Und das ist mindestens ebenos schön, den dort ist nicht die Anonymität der virtuellen Welten gegeben.

    Ich leide zwar nicht an einer Sozialphopie im eigentlichen Sinne, aber Vermeidungsverhalten und zwanghaftes Grübeln sind mir nur allzu bekannt. Ich bin ganz offen, weil Du es Dich hier auch getraut hast: bei mir hängt das mit einer generalisierten Angsstörung und mittelgradig schweren depressiven Episoden zusammen. Außerdem empfinde ich sehr stark und ungefiltert sozusagen ALLES, was nur auf mich einzuströmen vermag. Vor allem ersteres und letzteres bedingt, dass ich mich in großen Menschengruppen, unter Fremden zumal, grundsätzlich unwohl fühle. Mir wird es schnell zu viel, zu hektisch, zu laut. Und ich habe nicht genügend Selbstbewusstsein um ein ungezwungener „Smalltalker“ zu sein.

    Ich fühle mich allerdings in kleinen, vertrauten Kreisen wohl, ein, zwei, auch drei Menschen, mit denen mich etwas verbindet, auf die ich bauen kann, die mir freundschaftlich gesinnt sind, da können schöne Begegnungen und Runden entstehen, die ich dann sogar sehr zu genießen vermag.

    Ich weiß nicht, ob Du ein oder zwei solche Menschen kennst.Das wäre schön, denn mit ihnen gemeinsam kann und wird es leichter sein, die bisherige Isolation wenigstens ein Stück weit überwinden zu können. Fürs Erste wäre es schon gut, wenn ihr Euch ab und zu treffen, miteinander reden und etwas unternehmen könntet. Vielleicht kann es schon bald ein gemeinsamer Besuch in einem Cafe oder etwas ähnliches sein.

    Soweit nur ein paar erste Gedanken. Im Eigentlichen ging und geht es mir darum, Dich ein wenig zu ermutigen, Dir ein bisschen Zuversicht zuzusprechen.

    In diesem Sinne freundliche und liebe Grüße an Dich!

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen Dank für deinen Kommentar, deine Ermutigung und deine Offenheit.
      Du hast recht eigentlich ist es nicht wirklich mein erster Schritt ich hab in der Vergangenheit schon Fortschritte erzielt, die waren aber gefühlt eher glückliche Zufälle als aktive Mühen meinerseits. Einiges was du schreibst kann ich auch sehr gut nachvollziehen, Smalltalk ist für mich teilweise echt eine Qual. Und insbesondere das mit den kleineren Gruppen stimmt ebenfalls. Ich hab das Glück immernoch ein paar sehr gute Schulfreunde zu haben mit denen ich ab und zu etwas unternehmen kann, nur da wir nicht alle am selben Ort wohnen kommt das nicht soo regelmäßig vor.

      Nochmal vielen Dank, dass du deine Gedanken dazu mit mir geteilt hast.
      Liebe Grüße auch an dich. 🙂

      Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s